Der Freiheitsbrief - was ist das überhaupt?

Die Saarbrücker Stadtrechtsurkunde wird auch als Freiheitsbrief bezeichnet. Im Mittelalter steht dieser Begriff für Urkunden, in denen der jeweilige Landesherr, hier in Saarbrücken Graf Philipp I., einer Siedlung Privilegien verleiht. Mit dem Begriff Brief, wie wir ihn heute kennen, hat die Urkunde also nichts zu tun.

Der Saarbrücker Freiheitsbrief existiert in zwei Ausfertigungen, einer für das Gemeinsame Stadtgericht von Saarbrücken und St. Johann und einer für den Landesherrn. Die Original - Urkunde der beiden Saarstädte wurde mit Unterbrechungen in der Gerichtskiste des Gemeinsamen Stadtgerichts der Doppelstadt Saarbrücken/St. Johann aufbewahrt und gelangte so in den 1920er Jahren in das seinerzeit neu errichtete Saarbrücker Stadtarchiv.

Die Gegenurkunde für den Landesherrn - der sogenannte Revers – verblieb zunächst im Gewahrsam der Grafen von Saarbrücken und gelangte Jahrhunderte später in den Bestand des Staatsarchivs Koblenz als Teil des Bestandes Nassau-Saarbrücken. Dieser wurde in den 1970er Jahren als Dauerleihgabe an das Landesarchiv Saarbrücken abgegeben.

Das Saarbrücker Stadtarchiv verwahrt zudem im Bestand seiner Städtischen Urkunden die „Empfangsurkunde“, die schriftliche Bestätigung der Meier, Schöffen und Bürger von Saarbrücken und St. Johann. So besaß jede der beteiligten Parteien ein amtliches Schriftstück über die von Graf Johann I. gewährten städtischen Privilegien. Auch einige der Bestätigungsurkunden der nachfolgenden Landesherren haben sich erhalten.

Warum hat Graf Johann I. Saarbrücken und St. Johann Freiheitsrechte verliehen?

Reichsstädte, die direkt dem Kaiser unterstanden, schwächten die Herrschaft der Landesherren. Landesherrliche Gründungen wie im Fall von Saarbrücken und St. Johann dienten dagegen der Stärkung derselben. Sie verdichteten die Herrschaft im Territorium der Landesherren.

Gerade solche Gründungen sind in Rand- und Grenzgebieten seinerzeit typisch gewesen und finden sich auch im Hunsrück, dem Westerwald, im Bereich von Saar und Nahe sowie in Luxemburg und der Eifel. 

In Saarbrücken waren die Voraussetzungen für eine solche Herrschaftsverdichtung günstig. Hier kreuzten sich zwei bedeutende Handelswege: die Straße vom Pariser Becken über Metz, Saarbrücken, Kaiserslautern zum Oberrhein und ins Rhein-Main-Dreieck sowie die Straße vom Elsass nach Flandern und in die Niederlande.

Letztere bot Kaufleuten den Vorteil, das mit Zollstellen reichlich belegte Rheintal meiden zu können. Es gab bereits Befestigungen (1227 erwähnt) und die Anwesenheit von lombardischen Kreditgebern und Geldwechslern war günstig (1271 erwähnt).   

Die Doppelstadt Saarbrücken/St. Johann bildete kein autonomes Gemeinwesen wie eine freie Reichsstadt. Sie war dem Landesherrn, der gräflichen Herrschaft, untergeordnet. Sie wurde zur Residenz der Grafen, die dort im Lauf der Zeit landesherrliche Ämter (Oberämter) und eine landesherrliche Verwaltung aufbauten.

Nicht die Bürger setzten die Selbstverwaltung durch, sondern die gräfliche Herrschaft gewährte sie ihnen, um die Entwicklung der eigenen Landesherrschaft zu fördern und den Ort attraktiv für Zuwanderer zu machen.    

Wie ist der Freiheitsbrief beschaffen?

Der Freiheitsbrief ist auf Pergament geschrieben, dem „Papier“ des Mittelalters. Es handelt sich dabei um mit Kalk behandelte Tierhäute. Pergament ist, wie auch die Saarbrücker Urkunde zeigt,  besonders langlebig und kann problemlos weit über 1000 Jahre und länger ohne Informationsverlust bestehen. Für den Saarbrücker Freiheitsbrief  wurde Rindshaut genutzt. Spezialisten können dies anhand der Poren erkennen.

Der Saarbrücker Freiheitsbrief ist 68 cm hoch und 57,5 cm breit.  Sein unterer Rand ist beschädigt, da das Siegel irgendwann entfernt wurde. Möglicherweise wurde es in der Zeit der französischen Revolution weggeschnitten. Wir wissen es nicht.  Quellen des späten 18. Jahrhunderts erwähnen das Fehlen des Siegels bereits.

Die Urkunde muss zudem über einen längeren Zeitraum in Kontakt mit Feuchtigkeit gekommen sein. Dies erklärt die vier großen quadratischen Wasserflecken. Leider zeigen sich heute stecknadelgroße kleine sogenannte Tintenfraßlöcher im unteren Bereich der Urkunde. Bestandteile der Tinte schädigen ganz langsam das Material.

Eine so große Urkunde wurde natürlich gefaltet. Gerollte Urkunden gab es im kirchlichen Bereich und in England. Die ursprüngliche Faltung des Saarbrücker Freiheitsbriefs ist nicht mehr zu erkennen. Wenn man die Urkunde berührt, entsteht der Eindruck, dass sie wohl irgendwann einmal zerknittert war und dann geglättet worden ist.

Schrift und Sprache der Urkunde sind uns heute nicht mehr vertraut. Urkundensprache war damals meist noch Latein, aber auch Mittelhochdeutsch. Der Freiheitsbrief ist in Mittelhochdeutsch verfasst. Bei der Schrift handelt es sich um die sogenannte gotische Minuskel-Textura. Die Schrift der Urkunde zeigt, dass sie von einer einzigen Hand geschrieben wurde. Das Schreiben dürfte mit Blick auf ihren Umfang, immerhin 77 Zeilen, mehrere Tage in Anspruch genommen haben.  

Wann wurde der Freiheitsbrief ausgestellt?

Der Freiheitsbrief führt den März vor Ostern im Jahre 1321 als Datum, dennoch ist die Urkunde nach heutigem Kalender auf das Jahr 1322 zu datieren. Gleichwohl feierte Saarbrücken im Jahr 1971 das Jubiläum „650 Jahre Stadtrechte“, da sich das Jahr 1321 als Ausstellungsdatum zunächst eingebürgert hatte.  

Wieso nun das Jahr 1322? Grundsätzlich entspricht das Datum mittelalterlicher Urkunden nicht unserem heutigen Kalender, der das Jahr mit dem 1. Januar beginnt.  

Bei der Datierung mittelalterlicher Quellen ist immer zu prüfen, welcher Jahresanfang für die Kanzlei, die die Urkunde ausstellte, üblich war. Für Saarbrücken, wo die Urkunde ausgestellt wurde, bestanden zwei Möglichkeiten: Die für unsere Region seinerzeit mächtigen Metzer Bischöfe folgten dem sogenannten Annunciationsstil. Bei diesem Metzer Stil (Kalender) begann das Jahr mit dem 25. März, dem Tag Mariä Empfängnis.

Es gab zu jener Zeit bei den Saarbrücker Grafen jedoch auch Urkunden, die nach dem Stil von Toul [Stadt in Lothringen, Dep. Meurthe-et-Moselle] datiert wurden. Die Herrschaft Commercy, die Stammlande Graf Johanns, gehörten zur Diözese Toul.

Nach dem Stil (Kalender) von Toul begann das neue Jahr an Ostern. Und so erklärt sich denn die Datierung des Freiheitsbriefes: Ostern fiel im Jahr 1321 auf den 19. April und im Jahr 1322 auf den 11. April. Damit reichte das Jahr 1321 nach unserer Zeitrechnung vom 19. April 1321 bis zum 11. April 1322. Der „März vor Ostern“ des Jahres 1321 liegt nach heutigem Kalender somit im Jahr 1322.

Was machte eine Stadt aus?

Im Mittelalter hieß es, Stadtluft macht frei. Diese Freiheit bestand darin, dass die Bürger und Bürgerinnen von Saarbrücken und St. Johann eigenverantwortlich leben konnten und in keiner Lehensabhängigkeit oder Leibeigenschaft standen.

Die Abgaben waren in ihrer Höhe festgelegt und konnten nicht willkürlich vom Landesherrn erhoben werden. Die Stadt durfte sich weitgehend selbst verwalten. Das alles bildete den Kern des Freiheitsrechts und damit wurde in gewissem Maße ein Raum zur Entwicklung bürgerlicher Lebensweise geschaffen.

Bereits bei der Verleihung des Freiheitsbriefes gab es freie Bürger in Saarbrücken. Hatte man die Bürgerrechte erworben, konnte man diese weiter vererben. Damit sollte das wirtschaftliche Wohlergehen der Stadt gefördert werden.

Zu einer Stadt gehörten in der Regel eine Stadtmauer, Tore und Türme. Sie boten Schutz vor äußeren Feinden. Einen weiteren Schutz bot die Stadt ihren Bürgern auch durch Regelungen, die ein friedliches Zusammenleben fördern sollten.

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