Lost in Face
Regie: Valentin Riedl Deutschland 2020 | 81 Min. | deutsch
Carlotta kann keine Gesichter erkennen, nicht einmal ihr eigenes. Für sie sind menschliche Gesichter keine Orte des Vertrauens, sondern graue Bastionen, die verängstigen und Verwirrung stiften. Wie bei einem Prozent aller Menschen ist bei ihr genau die Region des Gehirns blind, die eigentlich Gesichter verarbeitet.
In seinem Film wandert der Neurowissenschaftler Valentin Riedl durch Carlottas Sphären voll anthropomorpher Tiere, luzider Träume und holpriger Irrwege. Er entblättert schrittweise die eigenwilligen Lösungen, mit denen Carlotta immer wieder versucht, im Strom menschlicher Konformität mitzuschwimmen – bis sie eines Tages beschließt, mit einem selbstgebauten Schiff die Welt der Menschen zu verlassen. Auf ihrer rastlosen Suche findet sie schließlich in der Kunst einen Zugang zum eigenen Gesicht und ertastet sich den Weg zurück zu ihren Mitmenschen.
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Regiekommentar
Vor fast fünf Jahren bin ich in einer Zeitung an einem von Carlottas Bildern hängengeblieben. Als Hirnforscher war ich erstaunt, wie jemand, dessen Gehirn noch nie ein Gesicht erkannt hatte, ein solch eindrückliches Porträt hervorbringen konnte. Im Laufe der Evolution hat sich im menschlichen Gehirn eine kleine Region hinter dem Ohr auf die Verarbeitung menschlicher Gesichter spezialisiert. Bei Menschen mit Prosopagnosie oder „Gesichtsblindheit“ funktioniert diese Region nicht richtig.
Als ich Carlottas verwunschene Wohnung zum ersten Mal betrat, wusste ich sofort, dass sie viel zu erzählen hätte. Erst im Laufe unserer gemeinsamen Zeit wurde mir klar, dass Carlotta aufgrund ihres Defizits in vielen Bereichen ihres Lebens eine ganz individuelle Wahrnehmung hat, die ich nie komplett werde nachvollziehen können. Obwohl wir alle mit einem ähnlichen Gehirn und Sinnesorganen ausgestattet sind, hat ein jeder von uns doch einen ganz eigenen Blick auf die Welt. (Valentin Riedl)
Regie-Biographie
Valentin Riedl
Er erforscht als Arzt und Neurowissenschaftler die Funktionsweise des menschlichen Gehirns. Für seine Bemühungen, abstrakte Wissenschaft mit der Kunstform des Films zu verknüpfen, erhielt Valentin auf Vorschlag von Wim Wenders den Förderpreis der Sparkassen-Kulturstiftung Rheinland und ein Stipendium der Wim Wenders Stiftung. Nach einigen Kurzfilmen und dem mehrfach ausgezeichneten Animationsfilm CARLOTTA’S FACE stellt Valentin mit LOST IN FACE sein Langfilmdebüt vor.