STILLSTEHEN
Regie: Elisa Mishto Deutschland, Italien 2019 | 90 Min. | deutsch
Julie (Natalia Belitski) lebt nur nach ihrem eigenen Grundsatz: Nichts tun. Und mit nichts meint sie nichts: Sie studiert nicht, arbeitet nicht, sie hat keine Freunde. Sie will einfach nur stillstehen. Um sich dem „normalen“ Leben zu entziehen, lässt sie sich regelmäßig in ihre psychiatrische Wunschklinik einweisen. Hier kennt man sie, hier weiß man, wie sie tickt. Dass Julie ohne Gummihandschuhe nicht aus dem Haus geht oder notfalls auch mal ein Lama aus dem Zoo auf einen Rave entführt, wundert niemanden mehr. Man lässt sie in Ruhe.
Das ändert sich schlagartig, als sie erfährt, dass ihr Erbe aufgebraucht ist, und Agnes (Luisa-Céline Gaffron) in ihr Leben tritt: eine vermeintlich naive Krankenschwester und ihre neue Betreuerin, die stets bemüht ist, alles richtig zu machen. Julie erkennt schnell, dass ihr bisheriges perfektes Nichtstun auf der Kippe steht – und fasst einen folgenschweren Entschluss: Um weiterhin stillstehen zu können, muss sie sich bewegen.
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Regiekommentar
Vor ein paar Jahren, während ich eine Dokumentation über psychiatrische Kliniken drehte, bin ich auf etwas gestoßen, was mich tief berührte: Menschen, die nichts tun. Die Patienten in den Kliniken verbringen ihre Tage damit zu warten: auf ihre Medizin, auf das Mittagessen, auf Familienbesuche oder einfach nur darauf, dass es ihnen besser geht. Während sie warten, tun sie nichts. Einige von ihnen möchten etwas tun, können es aber nicht, während andere sich hartnäckig weigern, sich den produktiven Mitgliedern der Gesellschaft anzuschließen. An den Rand gedrängt, sind sie gezwungen, die Welt aus einer anderen Perspektive zu sehen. Sie beginnen, sich Fragen zu stellen. Ist Arbeit ein Privileg oder eine Verpflichtung? Was ist unser Wert als menschliches Wesen, wenn wir nichts tun – und einfach nur sind?
Zum ersten Mal wurde mir bewusst, wie schmerzhaft und beunruhigend, aber auch wie befreiend und politisch radikal der Akt des Nichtstuns in einer von Konsum und Leistungsfähigkeit geprägten Gesellschaft sein kann. (Elisa Mishto)
Regie-Biographie
Elisa Mishto
Die gebürtige Italienerin absolvierte ein Masterstudium in Semiotik an der Universität von Bologna und studierte Drehbuch am Goldsmith College in London. Neben ihrer Tätigkeit als Drehbuchautorin und Filmemacherin arbeitet sie auch als Videokünstlerin, Texterin und Boxpromoterin. EMMA UND DIE WUT lief 2018 im Wettbewerb Kurzfilm des Filmfestivals Max Ophüls Preis. STILLSTEHEN ist ihr Spielfilmdebüt.