GESTERN, ICH DENKE AN MORGEN
Regie: Tom Otte
| Deutschland 2024 | 20 Min. | Dt., Niederl. mit dt. UT | Keine Altersfreigabe-Prüfung (FSK) erfolgt
Marion erlebt einen Tag, ihren Alltag. Es könnte gestern sein, aber nicht morgen, denn am Ende des Tages ist sie tot, gestürzt in einem Moment der Routine. Ein nüchterner Blick auf den letzten Tag eines Menschen, begleitet von einer abweichenden Wahrnehmung des Erlebten und der Frage nach der Signifikanz eines einzelnen Tages.
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Regiekommentar
Anders als die Geistergeschichten, die wir kennen, spukt es in Tom Ottes Film GESTERN, ICH DENKE AN MORGEN nicht aus der Vergangenheit, sondern aus der Zukunft in die Gegenwart hinein. Das Unvorhersehbare durchkreuzt den Alltag und die Lebenspläne der Protagonistin. Keine großen Zukunftsentwürfe werden hier verhandelt, eher Alltägliches steht im Zentrum. Ein kommender Arzttermin, die Aussicht auf eine Reise nach Amsterdam, die Renovierung eines Zimmers. Zwischen Mikrowellen Fisch und Terminkalender, Abwasch und Telefonaten richtet sich das Handeln der Protagonistin auf eine Zukunft aus, die planbar scheint, aber unvorhersehbar ist. So ereilt sie schließlich ganz unerwartet das Unausweichliche. Ein falscher Schritt und sie stolpert aus dem Leben und aus dem Film. Die eigentliche Zufälligkeit dieses Ereignisses wird in Ottes Film zu einer Reflexion über die erzählerische Konstruktion/ das Erzählen selbst. Während die Protagonistin schein- bar nichts ahnend ihren Alltag bestreitet und plant, weiß der Film von Beginn an um seinen Ausgang. Das, was seiner Figur scheinbar zufällig widerfährt, steht als Erzählung bereits fest. Das Wissen um ihr bevorstehendes Ableben geistert durch den Film und erhält seine eigene filmische Ebene. Diese mani- festiert sich in einem Kamerablick, der losgelöst von den Alltagsdarstellungen immer wieder durch das Einfamilienhaus gleitet und schließlich auch den Ort in den Blick nimmt, wo sich das Unglück ereignen wird. Das Unheimliche des Films ist die Erzählung selbst. Sie tritt aus dem Verborgenen hervor, unbemerkt von der Figur, die ihrer Konstruktion ebenso ausgeliefert ist, wie das Leben dem Tod. - André Siegers - André Siegers
Regie-Biographie
Tom Otte
Geboren 1991. 2019 schloss er sein Studium an der Hochschule für bildende Künste Hamburg (HFBK) mit dem Kurzfilm FOR REASONS UNKNOWN ab, der auf dem Filmfestival Max Ophüls Preis uraufgeführt wurde und den Deutschen Kritikerpreis 2020 erhielt. Er arbeitet als freiberuflicher Kameramann und fotografierte u.a. Steffen Goldkamps NACH ZWEI STUNDEN WAREN ZEHN MINUTEN VERGANGEN und Salka Tizianas Langfilmdebüt TAL DÍA HIZO UN AÑO.