Die Preisträger:innen 2022
Max Ophüls Preis: Bester Spielfilm
MONEYBOYS
Regie: C.B. Yi (Österreich, Frankreich, Belgien, Taiwan 2021)
Jurybegründung: MONEYBOYS ist ein existenzieller, queerer und zugleich universaler Film über Liebe, der politische Bedeutung nicht verfolgt, aber sie erzeugt. Er zeigt nicht nur ein auf allen Ebenen unglaublich sauberes, für einen Debütfilm überraschend reifes, filmisches Handwerk. Von der präzisen Kamera, die so intelligent ihr Cinemascope nutzt, über die präzise Figurenzeichnung, die selbst in den Nebenfiguren komplexe, vielschichtige Welten erzählt, über das bewusst gesetzte, aber gleichzeitig nicht laute Szenenbild und die Kostüme, die eins werden mit ihren Charakteren, bis hin zu diesem unglaublich nahen Schauspiel. Sondern er schafft es auch, dass dieses Handwerk nicht zu Sterilität führt. Ganz im Gegenteil: C.B. Yi erzählt seine Geschichte mit einer tiefen Herzlichkeit. Dabei definiert er trotz der harten Umstände seine Figuren nicht über Mitleid. Stattdessen gibt C.B. Yi den Charakteren und dem gesamten Film eine außergewöhnliche Würde.
Max Ophüls Preis: Beste Regie (Filmpreis des Saarländischen Ministerpräsidenten)
SOUL OF A BEAST
Regie: Lorenz Merz (Schweiz 2021)
Jurybegründung: Ein wilder, wahnsinniger Ritt, eine Liebeserklärung an das asiatische Kino, eine zutiefst berührende Vater-Sohn-Geschichte! SOUL OF A BEAST ist ein Feuerwerk aus Bildern, Musik, Geräuschen, Sinnlichkeit und Magie. Unberechenbar, unvorhersehbar.
Filmisch stilisierte Momente verschmelzen mit harter Realität. Brutalität ebenso mit zarter, durchdringender Liebe. Eine Symphonie aus vielen Farben, interessanten Orten, Zürich, wie man es noch nicht gesehen hat, verschiedenen Menschentypen und vielen, vielen Emotionen. Die internationalen Figuren wie auch die Besetzung machen das Globale erfahrbar. Ein gelungenes gemeinschaftliches Werk von Drehbuch, Ausstattung, Kostüm, Maske, Ton, Schnitt, Mischung, Schauspiel. Lorenz Merz hat alle Stränge zusammengebracht und souverän geführt. Ein unbändiges, junges Lebensgefühl kommt rüber, in teilweise überhöhten, aber dennoch glaubhaften oder gerade deswegen großartigen Bildern. Die berührende Geschichte ist das stabile Fundament für die Explosion der Ideen, die sie vorantreiben. Man sieht förmlich das Blut und den Schweiß, den die Arbeit gekostet hat. Man spürt die große Liebe des Regisseurs zu seinen Charakteren und teilt sie. Eine enorme Leistung, ein wahres Kinoerlebnis!
Max Ophüls Preis für den gesellschaftlich relevanten Film
LADYBITCH
Regie: Paula Knüpling & Marina Prados (Deutschland 2022)
Jurybegründung: Dieser Preis kann an Buch, Produktion oder Regie vergeben werden. In diesem Fall geht der Preis an Paula Knüpling und Marina Prados, die alle diese Funktionen gemeinsam erfüllt haben.
Es wird die Geschichte der jungen Schauspielerin Ela erzählt. Sie bekommt die große Chance, die Lulu von Wedekind im Theater zu spielen. Ihre Situation als Schauspielerin deckt sich mit der Geschichte des Theaterstücks. Minutiös wohnen wir dem Probenprozess bei. Der Regisseur zwingt mit Erniedrigungen und Grenzüberschreitungen Ela seine Vorstellungen der Lulu auf. Ela rebelliert, sie will eine starke Lulu spielen. Radikal und frech wandelt sich der Film in der zweiten Hälfte, es ist die Geschichte einer Selbstermächtigung. Ela wehrt sich zusammen mit den anderen Schauspieler:innen.
Dieser Film ist genau das, was man sich als Jurymitglied vom Filmfestival Max Ophüls Preis Festivals: dass junge Filmemacher:innen etwas ausprobieren, experimentieren und etwas riskieren, so dass etwas Neues entstehen kann. Vielen Dank für Euren Mut!
MAX OPHÜLS PREIS: BESTER SCHAUSPIELNACHWUCHS
Pablo Caprez für SOUL OF A BEAST
Regie: Lorenz Merz (Schweiz 2021)
Jurybegründung: Die Verantwortung, aber auch Belastung, ein kleines Kind großzuziehen, wenn man sich selbst noch nicht einmal gefunden hat, glaubt man Pablo Caprez' Figur jede Sekunde.
Er verleiht ihr eine Würde, wie wir sie auf der großen Leinwand selten gesehen haben.
Allein durch die Gravitas seines Blicks und seiner physischen Präsenz schafft es Pablo Caprez, uns fest in einer um uns herum filmisch explodierenden Hyperfiktion zu verankern.
Max Ophüls Preis: Bester Schauspielnachwuchs
Julia Windischbauer für PARA:DIES
Regie: Elena Wolff (Österreich 2022)
Jurybegründung: Julia Windischbauer zeigt mit ihrer Figur, wie eng Schmerz und Freude, Scham und Mut innerhalb einer co-abhängigen Beziehung beieinander liegen, und sie setzt diese gegensätzlichen Gefühle scheinbar mühelos frei.
Ab der ersten Szene von PARA:DIES werden wir Zeugen, wie fatal sich ein Mensch in einem immer schneller rotierenden Gefühlskarussell verstricken kann.
An dieser dramatischen Abwärtsspirale und schlussendlich ihrer Befreiung lässt uns Julia Windischbauer durch ihr unmittelbares Spiel mit verblüffender Leichtigkeit teilhaben.
Max Ophüls Preis: Preis der ökumenischen Jury
MONEYBOYS
Regie: C.B. Yi (Österreich, Frankreich, Belgien, Taiwan 2021)
Jurybegründung: Der Film überzeugt durch seine chronologische Erzählweise und die Inszenierung der Gegensätze zwischen traditioneller „Landidylle" und anonymer Großstadt. Der Rhythmus der geräuschvollen Stadt wird durch ein vermeintlich ruhiges und harmonisches Heimatdorf aufgefangen. Die Suche nach der schmerzlich vermissten Geborgenheit im Schoß der Familie, endet in der gewaltsamen Wucht an Schuldzuweisung, die den Protagonisten auf unbarmherzige Weise zurück in die Anonymität der Stadt verbannt.
Der bewusste Einsatz von Farben, Musik und Ästhetik unterstreicht kraftvoll die Dynamik des schnellen Geldes mit dem eigenen Körper auf einem prekärem Weg in die chinesische Upper Class.
Max Ophüls Preis: Bestes Drehbuch (Fritz-Raff-Drehbuchpreis)
MONEYBOYS
Regie: C.B. Yi (Österreich, Frankreich, Belgien, Taiwan 2021)
Jurybegründung: In dem Film MONEYBOYS führt uns der Autor und Regisseur C.B. Yi in einen Kosmos, der mit hoher Sensibilität und stilistischer Strenge, in hochkonzentrierten Bildern und feinsinnig formulierten Szenen erzählt wird.
Wir erleben, wie Sexualität und Liebe von Kapitalismus und gesellschaftlichen Normen, von Tabus und familiärem Druck beeinflusst und zerstört werden, wie Liebe als Ware in Konkurrenz zu wahrer Liebe steht.
Max Ophüls Preis: Preis der Jugendjury
RISSE IM FUNDAMENT
Regie: Genia Leis & Gerald Sommerauer (Deutschland 2022)
Jurybegründung: Eigentlich ist nichts passiert. Oder doch? Risse im Fundament reichen schon aus, um ein Gebäude einstürzen zu lassen. Der Film schafft es, ein Gefühl der ständigen Bedrängnis zu vermitteln und Grauzonen zu beleuchten. Subtile Grenzüberschreitungen werden sichtbar gemacht.
Starke Symbole, glaubhaftes Schauspiel sowie intime Kameraperspektiven und Tonaufnahmen führen zur Identifikation mit der Protagonistin Eva. Wir sind Teil der jungen Architektin, spüren ihren Schmerz, als ihre Hoffnungen zu zerbrechen scheinen.
Der Film bringt auf die Leinwand, was schwer in Worte zu fassen ist. RISSE IM FUNDAMENT setzt ein Zeichen der Aufklärung und zeigt uns, dass eben doch etwas passiert ist
MAX OPHÜLS PREIS: PREIS DER FILMKRITIK - BESTER SPIELFILM
SOUL OF A BEAST
Regie: Lorenz Merz (Schweiz 2021)
Jurybegründung: SOUL OF A BEAST ist ein fulminantes Werk, mit dem sich der Züricher Lorenz Merz zum zweiten Mal als Spielfilmregisseur präsentiert. Im Mittelpunkt steht der 19jährige Gabriel, ein liebevoller, alleinerziehender Vater eines zweijährigen Sohnes – und zudem ein leidenschaftlicher Skateboarder. Die pulsierende Stadt wirkt oft gewalttätig, hat atmosphärisch etwas Endzeitliches. Mit seinem draufgängerischen Freund Joel und mit dessen Freundin Corey bilden sie anfänglich ein unbeschwertes Trio – bis sich Gabriel und Corey ineinander verlieben. Als die Drei eines Nachts nach intensivem Drogenkonsum in den Zoo einbrechen, können einige Wildtiere entkommen. Die Stadt wird zur Sperrzone, was einer kriegsähnlichen Situation gleichkommt. Doch es ist die Liebe, die den Film immer wieder vorantreibt, die von Freude, Leid und Überlebenswillen genährt wird. SOUL OF A BEAST ist ein wuchtiger und teilweise beklemmender Film – mit starken Bildern, charismatischen Schauspielern und einem dynamisch-stimmigen Musik- und Sounddesign.
Max Ophüls Preis: Publikumspreis Spielfilm
EVERYTHING WILL CHANGE
Regie: Marten Persiel (Deutschland, Niederlande 2021)
Max Ophüls Preis: Bester Dokumentarfilm
ANIMA — DIE KLEIDER MEINES VATERS
Regie: Uli Decker (Deutschland 2022)
Jürybegründung: In einem filmischen Feuerwerk aus Bild, Ton und Musik verbindet eine virtuose Montage zeitgenössische Archivaufnahmen, Fotos, private Aufzeichnungen, Interviews und eine bemerkenswerte Animation, die mit Phantasie und Humor immer noch eine Ebene hinzufügt. So entsteht in der Geschichte einer Familie zugleich die einer Gesellschaft. Dabei weist die persönliche Tragödie eines Mannes und seiner Tochter, die an Rollenbildern und gesellschaftlichen Normen zu zerbrechen drohen, weit über die Genderproblematik hinaus und erzählt zudem mit Leichtigkeit und voller Liebe von Befreiung und Emanzipation. Eine universelle Erzählung aus der bayerischen Provinz und Protagonistinnen, denen wir für ihren Mut Respekt zollen.
Max Ophüls Preis: Beste Musik in einem Dokumentarfilm
Julia Kent und Jola Wieczorek für STORIES FROM THE SEA
Regie: Jola Wieczorek / Musik: Julia Kent (Österreich 2021)
Jurybegründung: Eine Filmmusik, die es schafft, drei sehr unterschiedliche Geschichten miteinander zu verweben und zugleich die Opulenz der Naturgewalten transportiert.
In einem virtuosen Sounddesign begegnen sich Mensch, Maschine und Natur.
Im Zusammenspiel mit der Poesie der grobkörnigen Schwarz-weiß-Cinematographie versinnlicht die gesamte Tonebene die ewige Sehnsucht des Menschen nach dem Meer.
Max Ophüls Preis: Publikumspreis Dokumentarfilm
ANIMA — DIE KLEIDER MEINES VATERS
Regie: Uli Decker (Deutschland 2022)
MAX OPHÜLS PREIS: PREIS DER FILMKRITIK - BESTER DOKUMENTARFILM
MAYOR, SHEPHERD, WIDOW, DRAGON
Regie: Eliza Petkova (Deutschland, Bulgarien 2021)
Jurybegründung: Lange Einstellungen, ein exzellentes Gefühl für Raum und Zeit und ein objektiver und doch empathischer Blick kennzeichnen das Dokumentarfilmdebut der deutsch/bulgarischen Regisseurin Eliza Petkova. Ihre genau beobachtende Kamera zeichnet das Leben von drei Bewohnern eines Bergdorfes am Rand des Pirin-Gebirges auf, in dem die Zeit stehen geblieben ist. Von den einstigen 1.800 Bewohnern ist nur mehr ein Zehntel im Dorf geblieben, hauptsächlich Witwen und ihre unverheirateten Söhne, die meisten jungen Leute suchen ihr Glück in den Städten oder gleich im Ausland. Der umtriebige Bürgermeister, dessen Suche nach einer Frau für melancholisch-komische Momente sorgt, die Witwe und ihr Sohn, die in symbiotischer Einheit sich dem langsamen Rhythmus des Dorflebens hingeben, und der Schäfer, der auf den Hügeln über die Vergänglichkeit des Lebens philosophiert, erscheinen wie Boten einer fernen Vergangenheit, in der das Leben sicherlich härter, aber auch strukturierter und näher an der Natur war. Eliza Petkova berichtet in dieser fein kadrierten Direct-Cinema-Hommage an ein aussterbendes Dorf ohne erhobenen Zeigefinger von den Mühen und Freuden von Menschen, deren Lebenswege sich tief in ihre manchmal müden und doch Lebensfreude ausstrahlenden Gesichter eingeprägt haben.
Max Ophüls Preis: Bester Mittellanger Film
UNTER DER WELLE
Regie: Veronika Hafner (Deutschland 2022)
Jurybegründung: Wir haben uns für einen Film entschieden, der vermeintlich einfach daherkommt, sich aber als eine äußerst präzise erzählte schwarze Komödie über die Kapitalisierung der Emotionen entwickelt. Dies gelingt Autorin/Regisseurin Veronika Hafner mit Punktlandungen in Dialog- und Dramaturgiewahl, genauso wie mit einer gut durchdachten Bildgestaltung und einer großartigen Besetzung. Trotz der absurden Komik verrät die Regisseurin ihre Figuren nie. Ihr Film wird bei jedem Mal Schauen besser.
Max Ophüls Preis: Publikumspreis Mittellanger Film
UNTER DER WELLE
Regie: Veronika Hafner (Deutschland 2022)
Max Ophüls Preis: Bester Kurzfilm
LULLABY
Regie: Magdalena Chmielewska (Österreich 2022)
Jurybegründung: Dieser Film war für uns mit jeder Wendung überraschend und blieb trotzdem immer konsequent und schlüssig. Das Porträt dieser schlaflosen Jugendlichen startet mit einer originellen Prämisse und entführt uns in die so dysfunktionale wie sinnliche Welt von Eva, welche uns in ihrer trotzigen Unnachgiebigkeit gefesselt und beeindruckt hat. Die Regisseurin Magdalena Chmielewska zeigt einen großen wilden Ideenreichtum und lässt bereits eine klare Handschrift erkennen. Wir sind neugierig auf ihre weitere Entwicklung.
Max Ophüls Preis: Publikumspreis Kurzfilm
ZEITPUNKT X
Regie: Simon Schneider (Deutschland 2022)