Die Preisträger·innen 2019
Max Ophüls Preis: Bester Spielfilm
DAS MELANCHOLISCHE MÄDCHEN
Regie: Susanne Heinrich (Deutschland 2019)
Jurybegründung:
Der Preis für den Besten Spielfilm geht an ein Filmkunstwerk, das in beschwingtem und elegantem Ton, mit präzisen analytischen Worten und in pastellfarbenen minutiös durchgestalteten Bildern die Odyssee einer jungen Frau im Dazwischen des postmodernen Kultur- und Identitätsüberflusses erzählt. Mit ironischer Genauigkeit und humoriger Schlagfertigkeit trifft der Film in seiner Übersetzung feministischer Theorien pausenlos den Nagel auf den Kopf. Ein Film, dem es endlich gelingt, eine Sprache für eine ganze Generation von traurigen Mädchen zu finden und sich im Grunde seinen Preis im Film zu Recht schon selbst verliehen hat.
Jury:
Mechthild Holter, Andreas Kleinert, Britta Knöller, Lisa Miller und Friedrich Mücke
Max Ophüls Preis: Beste Regie (Filmpreis des Saarländischen Ministerpräsidenten)
CRONOFOBIA
Regie: Francesco Rizzi (Schweiz 2018)
Jurybegründung:
Ein Film wie eine geheimnisvolle Elegie, wie eine Sinfonie der menschlichen Verlorenheit, die unsere Gegenwart sozial und philosophisch hinterfragt. Die Regie führt nicht nur die beiden Hauptdarsteller zu Höchstleistungen. Durch die elegante Inszenierung der Auslassungen, durch poetische Bilder der Einsamkeit, in morbider Atmosphäre und traumhaft entrückter Architektur gelingt der Regie ein cineastisches Kunstwerk. Dieser Film feiert das Kino.
Jury:
Mechthild Holter, Andreas Kleinert, Britta Knöller, Lisa Miller und Friedrich Mücke
Max Ophüls Preis für den gesellschaftlich relevanten Film
JOY
Regie: Sudabeh Mortezai (Österreich 2018)
Jurybegründung:
Der Film berührt uns mit der versteckten Realität, aus einer fernen Welt mitten am Rande der Mehrheitsgesellschaft. Die dokumentarisch inszenierende Kamera lässt den Protagonistinnen den Raum, die Geschichte selbst zu erzählen und schafft eine Intimität, zwischen Mitgefühl und Gnadenlosigkeit. Die Regisseurin lässt nicht zu, dass wir uns im Voyeurismus einrichten, sondern wir werden uns unserer Verantwortung dieser ausweglosen Situation schnell bewusst. Der Voodoo-Zauber globaler Ungerechtigkeiten treibt die Protagnistinnen vor sich her und die Versuchung zu Moralisieren bleibt uns durch die enttarnte Scheinheiligkeit unserer privilegierten Gesellschaft im Halse stecken. In diesem Moment, da unsere Gesellschaft an den falschen Rand zu rutschen droht, sind die Menschen, die nicht nur laut schreien, sondern den Leisesten unter uns eine Stimme geben, ein wahres Geschenk.
Jury:
Jury: Mechthild Holter, Andreas Kleinert, Britta Knöller, Lisa Miller und Friedrich Mücke
MAX OPHÜLS PREIS: BESTER SCHAUSPIELNACHWUCHS
Simon Frühwirth (NEVRLAND, Regie: Gregor Schmidinger)
Begründung:
Dieses Nachwuchstalent spielt sehr überlegt. Spielt mit großer Ruhe und im Sinne des Wortes mit unheimlicher Kraft. Sehr präzise entfaltet sich ein Menschenbild, das uns einnimmt, mitzieht, teilhaben lässt am persönlichen Schicksal der Figur. Dieser Schauspieler macht verstehbar, was zu oft unaussprechlich bleibt. Diese schauspielerische Leistung ist – in der Tat – beängstigend gut.
Max Ophüls Preis: Bester Schauspielnachwuchs
Joy Alphonsus (JOY, Regie: Sudabeh Mortezai)
Begründung:
Diese Figur ist – wie so viele – auf der Suche nach ihrem Platz im Leben. Sie ringt nach Selbstbestimmtheit, übernimmt gleichzeitig volle Verantwortung für sich und – gezwungenermaßen – auch für andere. Sie ist eine Kämpferin, die die Spielregeln beherrscht und gleichzeitig akzeptiert. Man kann sich auf sie verlassen. Ihr unterlaufen keine Fehler, ihre Notlagen entstehen dadurch, dass andere unehrlich sind oder sich nicht aus dem Fenster lehnen wollen, auch wenn für sie persönlich kaum etwas auf dem Spiel steht. Unsere Schauspielerin schafft es mit resolutem, aber unaufgeregtem Spiel, die Abgründe ihres Konfliktes mit einer Konsequenz darzustellen, dass es uns beim Zuschauen gar nicht in den Sinn kommt, die Ambivalenz ihres Handelns in Frage zu stellen. Die Frage nach Moral oder Sinn oder Glaube an das Gute stellt sich nicht, es geht im wahrsten Sinne des Wortes um das nackte Überleben.
Max Ophüls Preis: Preis der ökumenischen Jury
DAS MELANCHOLISCHE MÄDCHEN von Susanne Heinrich
Regie: Susanne Heinrich (Deutschland 2019)
Jurybegründung:
Unendlich komisch und gleichzeitig todtraurig, bis ins Detail komponierte Bilder, poetische Dialoge, in denen Beziehungen zum Lifestyle erkoren werden. Der Blick für den anderen verbleibt in der Leere. Die eigenwillig-konsequente Bildsprache eröffnet Leerstellen und Räume zum Weiterdenken. Schonungslos und präzise werden gesellschaftliche Zustände vorgeführt, hinterfragt und an die Zuschauenden weitergegeben. Eine junge Frau wird zur Symptomträgerin einer Gesellschaft, die ihre Glücksversprechen nicht einlöst.
Jury:
Oliver Gross, Marie-Therese Mäder, Birgit Persch-Klein und Wolf-Dieter Scheid
Max Ophüls Preis: Bestes Drehbuch (Fritz-Raff-Drehbuchpreis)
Daniela Gambaro, und Francesco Rizzi (CRONOFOBIA, Regie: Francesco Rizzi)
Jurybegründung:
Am Anfang darf man rätseln, zu welcher Geschichte man geladen ist. Am Ende weiß man: Es ist nicht nur eine Geschichte über Schuld und Schmerz, sondern vor allem über die Möglichkeiten der Liebe. Wie das Drehbuch die Figuren aus ihrer schicksalhaften Verstrickung befreit, das ist für einen Debutfilm beeindruckend erzählt. In der Kunst der Auslassung und der Andeutung, in dem gekonnten Spiel mit Motiven und Genreelementen entfaltet sich eine komplexe und zärtlich geführte Beziehung zweier Menschen. Die auch deshalb wahrhaftig wirkt, weil der Film da weiter erzählt, wo andere aufhören.
Der Fritz-Raff-Drehbuch-Preis geht an den wunderbar dichten, unaufdringlich und poetisch geschriebenen Film CRONOFOBIA, geschrieben von Daniela Gambaro und Francesco Rizzi.
Jury:
Daniel Blum, Oliver Hottong und Nora Lämmermann
Max Ophüls Preis: Preis der Jugendjury
NEVRLAND
Regie: Gregor Schmidinger (Österreich 2019)
Jurybegründung:
Das Gefühl, dass die eigene Wahrnehmung eins wird mit der des Protagonisten eines Films, ist selten. Und genau das ist uns passiert. Die Grenzen zwischen Realität und Rausch verschwimmen. Der Film nimmt uns mit in ein Labyrinth der Gefühle, in welchem die Hauptfigur gefangen ist. Er handelt vom Älterwerden, vom Entdecken der eigenen Sexualität und von den Ängsten eines Jugendlichen, die auch uns nicht fern sind. Eine atmosphärische Lichtführung kreiert eine bedrückende Atmosphäre. Dabei scheut er auch nicht vor tabuisierten Themen: Porno, Sex, Psychose. Kurz: Ein absoluter Brainfuck.
Jury:
Daniel Fassbender, Henri Hainz, Daniel Scheer, Emma Schmidt und Romy Wüst
Max Ophüls Preis: Publikumspreis Spielfilm
KAVIAR
Regie: Elena Tikhonova (Österreich 2019)
Max Ophüls Preis: Bester Dokumentarfilm
HI, A.I.
Regie: Isa Willinger (Deutschland 2019)
Jurybegründung:
Ein sensibler und intelligenter Film, der eine starke bildästhetische Vision verrät, die seinem Sujet entspricht. Gleichermaßen distanziert wie traumhaft erzählt der Film in klaren, tableauhaft komponierten Bildern. Faszinierend und verstörend bespielt die fein temperierte Filmmusik das Thema, das einen emotional nie zur Ruhe kommen lässt. Folgt man den portraitierten Beziehungen der Protagonisten im dichten Sog der Montage zunächst zögerlich und nicht ohne eine gewisse Sensationslust, so entdeckt man bald zutiefst humane Züge im neuen artifiziellen Lebensgeflecht. "Unberechenbar, emotional, ängstlich, vorsichtig, intelligent, sexy" – Chuck hat die Wahl, wie seine fast perfekte blonde Roboterfrau Harmony auf ihn reagieren soll, aber ob sie auch zur "besten Ehefrau der Zukunft" für eine Mehrheit von Männern taugt, bleibt nochmal dahin gestellt. Wir blicken ihrer weiteren Entwicklung gespannt entgegen.
Der Film zeichnet ambivalente Visionen, lädt aber dennoch zu einem spielerischen empathischen Blick ein, der einen auch immer wieder schmunzeln lässt. Herzlichen Glückwunsch an das gesamte Team.
Jury:
Natascha Cartolaro, Karim Sebastian Elias und Antje Kruska
Max Ophüls Preis: Beste Musik in einem Dokumentarfilm
LET THE BELL RING (Musik: Jonathan Ritzel)
Regie: Christin Freitag (Deutschland 2018)
Jurybegründung:
Virtuos werden pulsierende Song-Produktionen mit Score-Musik verwebt, gekonnt werden pathetische Musikklischees vermieden. Energetisch verdichtet sich die Musik immer mehr bis hin zum packenden Finale.
Dokumentarfilme feiern das Leben. Die Filmmusik von Jonathan Ritzel feiert den Traum des Boxers Malcom mit einer Karriere als Profiboxer zu reüssieren und begleitet ihn auf seiner Heldenreise. Intelligenter Musikeinsatz unterstützt den genauen Blick der Regisseurin Christin Freitag auf unseren Protagonisten, begleitet ihn einfühlsam, ohne dabei den Zuschauer zu bevormunden. Der Rhythmus, der durch das Zusammenwirken von Anne Jünemanns Schnitt mit der Musik entsteht, zieht den Zuschauer unweigerlich in seinen Bann, und lässt ihn bis zum Schluss nicht mehr los. Das hervorragende Sounddesign von Sebastian Tesch, und die bis ins letzte Detail ausdifferenzierte, dichte Mischung von Florian Beck lassen den Zuschauer die Atmosphäre der Boxwelt akustisch atmen.
Jury:
Natascha Cartolaro, Karim Sebastian Elias und Antje Kruska
Max Ophüls Preis: Publikumspreis Dokumentarfilm
CONGO CALLING
Regie: Stephan Hilpert (Deutschland 2019)
Max Ophüls Preis: Bester Mittellanger Film
LABEL ME
Regie: Kai Kreuser (Deutschland 2019)
Jurybegründung:
Zwei einsame Menschen, die in völlig gegensätzlichen Realitäten leben, lernen sich aufgrund eines finanziellen und sexuellen Abhängigkeitsverhältnisses langsam besser kennen. Doch ist diese Abhängigkeit der einzige Grund ihres täglichen Treffens?
Beindruckend nah und bezaubernd genau erzählt dieser Film von Schmerz, Gewalt und Vorurteilen. Und von einer Liebe, die all das überbrücken könnte.
Wir danken für diese intensive Erfahrung!
Jury:
Jerry Hoffmann, Leonie Krippendorff und Tobias Walker
Max Ophüls Preis: Publikumspreis Mittellanger Film
DIE SCHWINGEN DES GEISTES
Regie: Albert Meisl (Österreich 2019)
Max Ophüls Preis: Bester Kurzfilm
BOOMERANG
Regie: Kurdwin Ayub (Österreich 2018)
Jurybegründung:
Während die Familie bei der Mutter feiert, sitzt der Vater im Auto vor der Tür. Er ist nicht eingeladen. Warum, das versteht er selbst nicht so ganz. Durch die Augen der Teenagertochter zeigt uns die Filmemacherin die Balance zwischen völliger Ablehnung und aufgedrängter Verantwortung. Wie diese drei Geschwister miteinander und mit der Unfähigkeit der Beziehung ihrer Eltern umgehen, haben wir so leichtfüßig, so faszinierend echt und so beiläufig komisch noch nie gesehen.
Dieser Film ist wild und uneitel. Kino, von dem wir dringend mehr wollen. Herzlichen Glückwunsch und danke für dieses Erlebnis.
Jury:
Jerry Hoffmann, Leonie Krippendorff und Tobias Walker
Max Ophüls Preis: Publikumspreis Kurzfilm
STILLES LAND GUTES LAND
Regie: Johannes Bachmann (Schweiz 2018)