DISPLACED
Regie: Sharon Ryba-Kahn Deutschland 2020 | 90 Min. | FSK ab 6 | Dt., Engl., Jiddisch mit dt. UT
Sharon Ryba-Kahns Beziehung zu Deutschland war schon immer problematisch und das, obwohl sie in München aufgewachsen ist und heute in Berlin lebt. Sie gehört zur dritten Generation von Shoah-Überlebenden, für sie ist diese schwierige Beziehung zu Deutschland Normalität.
Nach sieben Jahren Funkstille meldet sich ihr Vater Moritz Ryba wieder bei ihr. Dies wird zum Startpunkt einer Reise. Ihre Großeltern väterlicherseits kamen aus Polen, überlebten die Shoah und landeten in München, wo sie viele Jahre lebten. Sharon fährt von Ort zu Ort und besucht Freunde und Bekannte. Sie möchte verstehen, wer die Familie ihres Vaters ist.
Der Blick in die Familienvergangenheit führt Sharon schließlich dazu, sich mit ihrem eigenen Leben auseinanderzusetzen und die Frage nach dem Umgang mit der Vergangenheit an ihr nicht-jüdisches Umfeld zu stellen. Die Suche legt nach und nach die Kluft zwischen den beiden Welten offen. Eine wichtige Frage bleibt: Wie gehen wir in unserer Gesellschaft mit unserer Vergangenheit um?
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Regiekommentar
Als ich anfing, DISPLACED zu entwickeln, war da zunächst nur ein Gefühl. Ein Gefühl, das ich schon ein ganzes Leben lang in mir trug, dessen Tragweite ich aber nicht ganz verstand. Ich wusste zum Beispiel immer schon, wie jeder andere jüdische Mensch in Deutschland auch, dass die Kluft zwischen dem jüdischen Diskurs und dem nicht-jüdischen Diskurs enorm ist. Ich wusste, dass Vieles nie laut gesagt wurde, es wurde „laut gedacht“. Woher ich das weiß? Seitdem ich denken kann, spürte ich es, wenn in meinem Umfeld über diese großen Themen zu reden versucht wurde und wird. Die Gespräche fühlten sich immer beklommen an. Es war und ist traurig und auch hart, nach so vielen Jahren erkennen zu müssen, wie wenig die jüdische Perspektive wirklich in der Mehrheitsgesellschaft in Deutschland verstanden wird.
Mein Wunsch war es, in DISPLACED mich meiner Beziehung zu Deutschland zu stellen. Die Familiengeschichte meines Vaters gab mir den Rahmen dafür. Der Film wurde für mich zu einer Chance und Möglichkeit, in die Tiefe zu schauen, sowohl was die Familie meines Vaters betrifft als auch die Biografie seiner Generation. Alle Themen sind miteinander verknüpft, und der Film ist ein Spiegel meines Inneren. Der Spiegel einer Frau, in der diese verschiedenen Geschichten aufeinandertreffen. Denn Deutschland und die Shoah sind der gemeinsame Nenner in all diesen Geschichten. Eines war sicher: Ich wollte nicht weiter hier leben, ohne mich diesen Gefühlen nicht gestellt zu haben.
Wenn man mich fragen würde, was möchtest du gerne mit dem Film erreichen, dann würde ich antworten: Selbstreflexion. Ich wünsche mir einen anderen Umgang mit der eigenen Geschichte, und dass die deutsche Mehrheitsgesellschaft sieht, dass die Shoah sie genauso betrifft wie Jüdinnen und Juden.
Regie-Biographie
Sharon Ryba-Kahn
Geboren 1983 in München. Ihre ersten 14 Lebensjahre verbrachte sie in München, bevor sie 1997 nach Jerusalem zog. 2001 ging sie nach Paris, um Schauspiel zu studieren. Ihr Theaterstudium setzte sie in New York unter der Leitung von Mike Nichols fort. Nachdem sie in verschiedenen Theaterproduktionen Regie geführt und auch selbst mitgespielt hatte, studierte sie Filmproduktion an der New York Film Academy. 2007 zog sie nach Berlin und begann, als freiberufliche Mitarbeiterin in der Filmindustrie u.a. als Casting Director und Synchronsprecherin zu arbeiten. Ihr erster abendfüllender Dokumentarfilm RECOGNITION erschien 2015 und wurde weltweit auf über 20 Filmfestivals gezeigt. DISPLACED ist ihr Abschlussfilm an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf.