Die Preisträger·innen 2013
Max Ophüls Preis
DER GLANZ DES TAGES
Regie: Tizza Covi, Rainer Frimmel (Österreich, 2012)
Jury-Begründung:
Es sind gewichtige gesellschaftliche Fragen, die der Film DER GLANZ DES TAGES auf poetische wie oft auch tragikomische Weise beleuchtet. Freiheit. Identität. Selbstfindung. Selbstinszenierung. Und vor allem die Möglichkeit, all dies bewusst selbst zu gestalten, abhängig davon, welcher Kindheit man entwachsen ist, oder aus welchem Land man stammt. Gerade in seiner Einfachheit ist es ein besonders mutiger Film.
Die Filmemacher Tizza Covi und Rainer Frimmel vertrauen nämlich mit liebevollem Blick ganz und gar auf ihre Figuren und deren Geschichten. Mehr braucht es nicht. Es ist nicht die große Pose und nicht das laute Experiment. Sie vertrauen auf eine autarke Haltung des Erzählens und sie vertrauen auf die Authentizität des eigenen Schaffens in ihrer unkonventionellen Art des Filmemachens.
Tizza Covi und Rainer Frimmel vertrauen somit ganz und gar ihrem Publikum. Und wir sind ihnen sehr gerne gefolgt.
Die Jury: Ina Weisse, André Hennicke, Markus Schleinzer, Peter Claus, Suse Marquardt.
Filmpreis der saarländischen Ministerpräsidentin
TALEA
Regie: Katharina Mückstein (Österreich, 2013)
Jury-Begründung:
TALEA ist ein kleiner Film, der auf behutsame Weise eine große Geschichte erzählt. Es geht um ein Mädchen, eine Außenseiterin, die sich aufmacht ihre Mutter zu suchen und die bis zur Demütigung bereit ist, um deren Anerkennung und Liebe zu kämpfen. Die Regisseurin Katharina Mückstein vertraut dem Leben der Figuren, auf ihre Spannung, ihre Gesten, auf die Zwischenräume, auf das, was jenseits der Sprache liegt. Sie verzichtet auf Pathos, auf Effekt, kommentiert nicht, sie führt ihre beiden Darstellerinnen Sophie Stockinger und Nina Proll mit feiner Psychologie. Wir wünschen der Regisseurin, dass sie weiterhin so kompromisslos ihren Weg geht.
Preis für die Beste Nachwuchsdarstellerin
Jasna Fritzi Bauer - SCHERBENPARK
Regie: Bettina Blümner (Deutschland, 2012)
Jury-Begründung:
Sie will ihren Stiefvater töten und ein Buch schreiben – über ihre Mutter. Sie ist furchtlos, schlau und schlecht gelaunt. Denn in ihrer Welt geht man unter, wenn man sich nicht wehrt. Doch auch Gefühle lässt sie zu, und als ihr Leben eine überraschende Wendung erfährt, findet sie sich urplötzlich in einer Dreiecksgeschichte wieder. Doch die toughe junge Frau findet ihren Weg.
Als Sascha in Bettina Blümners SCHERBENPARK lässt Jasna Fritzi Bauer ihr Gegenüber die ganze Wut einer pubertierenden jungen Frau spüren. Auf ihrem Gesicht spiegelt sich dabei die ganze Klaviatur der Gefühle: Zorn, Überheblichkeit, aber auch Fürsorge und Verliebtheit gelingen ihr mühelos. Sie ist immer intensiv und glaubwürdig, besonders auch in den Momenten, in denen sie nichts sagt.
Der Preis für den Besten Nachwuchsdarsteller
Max Mauff - IN DER ÜBERZAHL
Regie: Carsten Ludwig (Deutschland, 2012)
Jury-Begründung:
Weil der Raum, in dem er agiert, eng ist, muss er alles aus sich selbst schöpfen. Das Auto als Ort für ein Kammerspiel fordert dem jugendlichen Amokläufer alles ab. Seine anfängliche Verunsicherung spürt der Zuschauer genauso, wie seine Entschlossenheit. So wirkt er schon in der Unschärfe scharf und pointiert.
In Carsten Ludwigs Film IN DER ÜBERZAHL lässt Max Mauff den Amokläufer mit erschreckender Selbstverständlichkeit als fast normalen Jugendlichen erscheinen, mit dem man beinahe Mitleid bekommt, obwohl er Ungeheuerliches verbrochen hat. Sein glücksseliges Lächeln aus dem Seitenfenster lässt einen frösteln. Ein Bild, das man nicht vergisst.
Preis für den Besten Dokumentarfilm
DRAGAN WENDE-WEST BERLIN
Regie: Dragan von Petrovic, Lena Müller (Deutschland, 2012)
Jury-Begründung:
Ein Stück irrwitzige Weltgeschichte, erzählt aus der Küche eines abgehalfterten Bordell-Türstehers. Ein Stück berührende Familiengeschichte, erzählt in der historischen Dimension des kalten Krieges. Ein Stück derbe Männergeschichte, erzählt mit Pfiff und Ironie dank sicherer Montage – halbseiden, blockfrei und humorvoll.
Das hat die Jury begeistert und darum vergibt sie den Dokumentarfilmpreis Max Ophüls an den Film DRAGAN WENDE-WEST BERLIN.
Die Jury spricht eine lobende Erwähnung für den Film CESARS GRILL von Darío Aguirre aus.
Jury-Begründung:
Der Film schafft es, stilsicher und unterhaltend eine Vater-Sohn-Geschichte zu erzählen und mit gekonnter Dramaturgie das Publikum in seinen Bann zu ziehen.
Die Jury: Sabine Gisiger, Dieter Pichler, Herbert Schwering.
Fritz-Raff-Drehbuchpreis
SCHERBENPARK
Drehbuch: Katharina Kress (Regie: Bettina Blümner, Deutschland 2013)
Jury-Begründung:
Den Titel für ihren ersten Roman hat die siebzehnjährige Sascha schon gefunden: „Die Geschichte einer hirnlosen, rothaarigen Frau, die noch leben würde, wenn sie auf ihre kluge Tochter gehört hätte.“
Sascha ist aus Moskau nach Deutschland gekommen und lebt mit ihren beiden jüngeren Geschwistern in einer kleinen Wohnung in der Hochhaussiedlung Scherbenpark. Hier musste sie miterleben, wie der Stiefvater ihre Mutter tötete.
Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Alina Bronsky hat Katharina Kress ein kraftvolles Drehbuch geschrieben, dessen Figuren wunderbar leicht zwischen ungeschönter Tragik und lebensbejahendem Humor oszilieren. Mit bestechendem Timing und präziser Situationskomik erzählt sie glaubwürdig und unterhaltsam von Saschas Kampf gegen die Gespenster der Vergangenheit.
Katharina Kress gelingt es eindrucksvoll, die herausfordernde Aufgabe einer eigenständigen Romanadaption zu bewältigen. Den respektlos frechen Ton der Ich-Erzählerin des Romans überträgt sie kongenial in ihr Drehbuch und schafft so eine anrührende und lebendige Filmfigur, die man lange nicht vergessen wird.
Die Jury: Daniel Blum, Anette Kührmeyer, Jakob Claussen.
Kurzfilmpreis
GRUPPENFOTO
Regie: Mareille Klein (Deutschland, 2012)
Jury-Begründung:
Ein Kind in einem Klavier Wettbewerb. Ein Mann unter den Zuhörern verhält sich wie ein Fremdkörper in dieser bürgerlichen Welt. Es ist der Vater des Mädchens. Mareille Klein gelingt mit eine starke und eigenständige künstlerische Leistung.
Dabei sticht das ungeheuer differenzierte Spiel von Peter Schneider als Vater besonders heraus. Wie es ihm gelingt den Zuschauer in einer feinen Balance zwischen Anteilnahme und Ablehnung gegenüber seiner Figur zu halten, ist außergewöhnlich. Die vielen Möglichkeiten seine Figur an einfache Effekte zu verraten, vermeidet er meisterhaft.
Das und die Leistung der jungen Felicitas Schurig, sowie des gesamten restlichen Ensembles, sind jedoch sichtbar das Ergebnis der klugen Schauspielführung der Regisseurin.
Die Jury: Johann von Bülow, Till Endemann, Susanne Wuest.
Interfilm-Preis
FÜNF JAHRE LEBEN
Regie: Stefan Schaller (Deutschland, 2013)
Jury-Begründung:
Dies ist die Geschichte eines Mannes, der fünf Jahre in Guantanamo gefangen war. Der Film zeigt einen Ausschnitt davon. Überzeugend gespielt mit beklemmend realer Perspektive provoziert der Film die Frage nach Menschlichkeit und Würde. Dem Zwang zu gestehen setzt er sein eigenes Bekennen entgegen. Ein Plädoyer für die Kraft des Willens und gegen das Vergessen.
Die Jury: Brigitte Affolter, Dr. Julia Helmke, Harald Koberg, Marisa Villareale.
Publikumspreis Langfilm
KOHLHAAS ODER DIE VERHÄLTNISMÄSSIGKEIT DER MITTEL
Regie: Aron Lehmann (Deutschland, 2012)
Förderpreis der DEFA-Stiftung
DER KAPITÄN UND SEIN PIRAT
Regie: Andy Wolff (Deutschland, Belgien, 2012)
Jury-Begründung:
Der Film erinnert an die Entführung des Frachtschiffs „Hansa Stavanger“ im Jahr 2009 durch somalische Piraten und nimmt dabei eine doppelte Perspektive ein: Die des Kapitäns und die des Anführers der Piraten.
Andy Wolff lässt seine beiden Protagonisten erzählen, ohne ihre Handlungen und Reminiszenzen zu bewerten. Die Kamera begleitet stets zurückhaltend, ohne sich aufzudrängen und schafft trotz der angespannten Situation eine vertraute, fast intime Atmosphäre. Die ruhigen Aufnahmen in Deutschland lassen die heftigen Emotionen bei einer Entführung nur erahnen und sind gerade deshalb sehr intensiv. Sie stehen in Kontrast zu den Handkamerabildern aus Somalia – so wie auch die Leben der Protagonisten nicht unterschiedlicher sein könnten. Weitab von den üblichen Schlagzeilen und medialen Bildern fragt der Film nach wichtigen Themen wie Vertrauen, Verrat, Enttäuschung – und vor allem nach menschlichem Respekt.
Publikumspreis für den Mittellangen Film
STUFE DREI
Regie: Nathan Nill (Deutschland, 2012)
Publikumspreis Kurzfilm
MEINE BESCHNEIDUNG
Regie: Arne Ahrens (Deutschland, 2012)
Preis der Jugendjury
FÜNF JAHRE LEBEN
Regie: Stefan Schaller (Deutschland, 2013)
Jury-Begründung:
Unfassbar und schockierend. Zwar war uns das Gefangenenlager an jenem Ort bekannt, dennoch war es erschütternd, in diesem Film vor Augen geführt zu bekommen, wie physische, und vor allem mit welchen Methoden psychische Folter auch heute noch ausgeübt wird. Sämtliche Überlebensstrategien, wie etwa die Beziehung des tierlieben Gefangenen zu einem Leguan, der seine Zelle aufsucht, werden in Instrumente der Qual umgewandelt: Der Gefangene wird gezwungen, das ihm lieb gewordene Tier zu töten.
Diese Episode ist ein Beispiel dafür, wie spannend der Regisseur die Geschichte von Murat Kurnaz erzählt, die unter die Haut geht: Ein Mensch gerät unschuldig in den Verdacht, ein Terrorist zu sein und rutscht in eine Foltermaschinerie - Eine wahre Begebenheit, die mit überzeugenden Darstellern packend inszeniert wurde und uns für die Geschichte und das Schicksal des Gefangenen einnimmt. Sogar die scheinbare Freilassung entpuppt sich als nichts Weiteres als ein Instrument zu seiner Demütigung, denn der Hubschrauber in die Freiheit hebt vor seinen Augen ab, ohne ihn mitzunehmen. Aber nicht nur das Leid der Gefangenen wurde aufgezeigt, sondern auch der Druck, der auf den anderen Beteiligten in diesem System, etwa auf dem Verhörspezialisten, lastet. Diese differenzierte, unbeschönigende Sichtweise ermöglicht uns einen authentischen Einblick in die dort vorherrschenden Verhältnisse.
In dieser Hölle einfach seine Unschuld zu beteuern, zur Wahrheit zu stehen und sich nicht zu einem falschen Geständnis bringen zu lassen, welches das System braucht, um seine Methoden zu rechtfertigen, ist nur aufgrund der unglaublichen mentalen Stärke und dem übermächtigem Überlebenswillen von Murat Kurnaz möglich. Dafür verneigen wir uns stumm vor ihm.
Die Jury: Stella Kirpoglou, Laura Maurer, Jörn Michaely, Jan Schröder, Hannah-Lisa Paul.