Tribute Mario Adorf
Unser kollektives Kinogedächtnis ist voll von Adorf-Momenten: Als übler Finsterling Frederick Santer, der im ersten Teil von WINNETOU (1963) Winnetous Schwester Nscho-tschi erschießt. Als Oskar Matzeraths Vater in der BLECHTROMMEL (1978), ein Suppen kochender Nazimitläufer, der – zumindest im Director‘s Cut – zum Vatertier wird, als sein Sohn ins Euthanasie-Programm gesteckt werden soll. Oder als schmieriger Provinzindustrieller, der in der Dietl-Serie „Kir Royal“ (1986) den bis heute – in Adorfs rheinischer Singsang-Diktion – legendären Satz sagt: „Isch scheiß' disch zu mit meinem Jeld.“ Mario Adorf schuf in seinen bislang über 200 Rollen nicht nur populäre, sondern ikonische Figuren, die bleiben.
So wie er selbst auch immer geblieben ist. Die Filmepochen und Generationen kamen und gingen – Adorf war immer mittendrin. Er war eine große Nummer in Papas Kino wie im Neuen Deutschen Film, er lebte und arbeitete in Italien, als der Italo-Western Kult war.
Die Liste der renommierten Regisseur·innen, mit denen er zusammenarbeitete, ist lang: Sergio Corbucci und Dario Argento in Italien, Billy Wilder und Sam Peckinpah in den USA, Wolfgang Staudte, Rainer Werner Fassbinder, Volker Schlöndorff, Helmut Dietl oder auch Lola Randl in Deutschland. „Jede Geste, jeder Blick, jede Intonation, jede Pause und Pointe mussten sitzen wie die Handgriffe eines Trapezkünstlers“, beschrieb Schlöndorff einmal Adorfs fast bildhauerisches Arbeiten an seinen Charakteren, denen man die Arbeit nie anmerkt, so aus dem Leben sind sie.
Und mit Leben kennt sich der 87-Jährige aus wie kein Zweiter. Geboren 1930 in Zürich, aufgewachsen in der Eifel, wurde er in eine harte und spannungsreiche Kindheit und Jugend geworfen. Nach dem Krieg lernte er Boxen und – an der Otto-Falckenberg-Schule in München – Spielen. Bereits mit seiner ersten großen Filmrolle gelang ihm der Durchbruch. In NACHTS, WENN DER TEUFEL KAM (1957) spielte er einen psychopathischen Frauenmörder mit der ihm schon damals eigenen feinsinnigen und hintergründigen Vehemenz. Adorf erhielt das Filmband in Gold – und ein Image, das ihm fortan für viele Jahre anhaftete: das des Bösewichts. Für den Schauspieler kein Makel, sondern eine menschliche Normalität. „Oft wird gesagt, dass das Böse unmenschlich ist“, sagte er einmal. „Man macht es sich also einfach, indem man sagt: 'Das ist so negativ, das hat mit uns Menschen nichts zu tun, das grenzen wir aus', anstatt zu sagen: 'Das ist das Böse in uns allen.'"
Mario Adorf hat praktisch alle Preise gewonnen, die es hierzulande zu gewinnen gibt. Bundesfilmpreise, Bambis, Goldene Kameras, das Große Bundesverdienstkreuz.
NACHTS, WENN DER TEUFEL KAM
Regie: Robert Siodmak
BRD 1957 | digital | s/w | 104 Min.
Deutschland 1944. Nach elf Jahren gelingt es Kriminalkommissar Kersten, endlich einen Serienmörder zu überführen: den geistig zurückgebliebenen Bruno Lüdke. Die Nazis sehen in der Verhaftung die Möglichkeit,
ein neues „Schandgesetz“ durchzubringen, das die planmäßige Ermordung geistig Behinderter legitimiert. Dann aber kommen Zweifel auf, ein Prozess würde zu viel Aufmerksamkeit auf die Verfehlungen der Polizei lenken. Man beschließt, den Fall unter der Hand zu regeln – doch Kommissar Kersten will die Wahrheit ans Licht bringen.
DEADLOCK
Regie: Roland Klick
BRD 1970 | digital | Farbe | 88 Min.
Die Banditen Sunshine und Kid flüchten nach einem Bankraub in die Geisterstadt Deadlock in der mexikanischen
Sierra. Dort begegnen sie Charles Dump, der es auf ihren Koffer mit der Beute abgesehen hat. Ein schonungsloser Kampf auf Leben und Tod beginnt.
LOLA
Regie: Rainer Werner Fassbinder
BRD 1981 | digital | Farbe | 115 Min.
Coburg 1957: Der neue und unbestechliche Baudezernent Herr von Bohm muss sich in der allseits korrupten Gesellschaft behaupten. In der Gemeinde herrscht der Baulöwe Schuckert, in dessen Bordell die geschäftlichen Beziehungen und Liebesdienste ausgehandelt werden. Star des Etablissements ist die bezaubernde Lola. Der hochmoralische von Bohm deckt Schuckerts Machenschaften auf und will die Wahrheit ans Licht bringen. Doch Schuckert weiß, wie er sich von Bohms Schweigen erkauft: Er verspricht ihm Lola.
DER LETZTE MENTSCH
Regie: Pierre-Henry Salfati
Deutschland, Frankreich, Schweiz 2014 | digital | Farbe | 93 Min.
Marcus ist ein Überlebender von Theresienstadt und Auschwitz. Seine Überlebensstrategie nach dem Krieg war das Vergessen. Doch nun holt ihn die Vergangenheit ein, und er möchte als Jude bei den Seinen beerdigt werden. Zu seiner Überraschung muss er aber erst einmal beweisen, dass er überhaupt Jude ist. Um die nötigen Dokumente zu
beschaffen, fährt er mit der jungen Deutschtürkin Gül nach Ungarn, dem Land seiner Kindheit. Und in seinem Geburtsort trifft er auf jemanden, der scheinbar schon lange auf ihn gewartet hat.